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Besseres Leben für ältere Diabetiker

Zuckerkrankheit gehört zu den grossen Leiden unserer Zeit. Etwa 6 bis 7 Millionen Menschen sind davon betroffen, erklärte Professor Hellmut Mehnert, Diabetesforschungsinstitut, Krankenhaus München-Schwabing, auf einem Grünwalder Gespräch. Etwa fünf Prozent der Betroffenen leiden an dem sogenannten Typ-1-Diabetes, der durch eine Erkrankung des Immunsystems entsteht, 95 Prozent an Typ-2-Diabetes.

Beim Typ-2 Diabetes ist die Verwertung von Insulin gestört. Überdies muss eine abnehmende Insulinsekretion beobachtet werden. Es sind besonders ältere Menschen, die darunter leiden, aber auch übergewichtige Kinder gehören immer häufiger dazu.

Mehnert beklagte, dass Diabetes immer noch zu spät erkannt werde. Werde die Stoffwechselstörung diagnostiziert, häufig erst fünf bis sieben Jahre nach ihrer ersten Manifestation, sind bei der Hälfte der Erkrankten bereits Folgeschäden zu konstatieren. Sie bestehen in Veränderungen an den grossen und kleinen Gefässen und können zu Organschäden, wie zum Beispiel der Erblindung führen. Viel zu wenig Aufmerksamkeit werde auch dem "diabetischen Fuss" geschenkt, dessen letzte Stufe die Amputation sei. Da immer noch fast 30000 Amputationen im Jahr durchgeführt werden müssten, plädierte Mehnert geradezu leidenschaftlich dafür, dem entgegenzuwirken durch erhöhte Aufmerksamkeit auf die Füße des Patienten. Das gelte nicht nur für die vom Diabetes betroffenen , sondern auch für die Ärzte.

Seit einigen Jahren werden für die Diagnose des Diabetes strengere Kriterien angewendet. Bereits bei einem Nüchtern-Blutzucker von über 110 mg/dl liege eine diabetische Störung vor. Eine einmalige Messung des Nüchtern-Blutzuckers sei dabei nicht entscheidend. Die Werte müssen mehrmals kontrolliert werden, auch die sogenannten postprandialen, die Werte nach dem Essen.

Zur Diät beim älteren Diabetiker meinte Mehnert: Im Gegensatz zu früheren Anschauungen werde heute eine besonders eiweissreiche Nahrung nicht mehr empfohlen. Sie führe gerade beim älteren Diabetiker, der ohnehin oft an Nierenschäden leide, zu einer weiteren Überlastung des Organs. Wichtig für ältere Diabetiker sei, daß Sie auf ihr Gewicht achten und sich genügend bewegen.

Als "geradezu sensationell" betrachtet Mehnert eine neue amerikanische Untersuchung, die im Oktober in der Zeitschrift "Diabetes" veröffentlicht wurde. Einige Gläser Wein wirkten präventiv auf die Entstehung von Diabetes. Da die Veröffentlichung von der hochangesehenen amerikanischen Havard-Universität stamme, müsse sie zumindest bis weitere Untersuchungen vorlägen, ernstgenommen werden.

Dr. Andreas Liebl, Chefarzt des Diabeteszentrums und der Abteilung für innere Medizin an der Fachklinik Bad Heilbrunn, sprach beim Grünwalder Gespräch über "Moderne Diabetestherapie beim älteren Patienten". Man müsse, meinte Liebl, davon ausgehen, dass Dreiviertel der Diabetiker über 65 Jahre mindestens drei verschiedene Medikamente am Tag einzunehmen hätten, da sie häufig zusätzlich unter chronischen Erkrankungen litten. Deshalb brächte eine neue Kombination von Antidiabetika einen grossen Fortschritt.

Als wirksam, aber dennoch einfach durchführbar, hat sich nach Liebl die Kombination von Insulin Glargin (Lantus®, Aventis Pharma) für die Injektion am Abend und dem Sulfonylharnstoff Glimepirid (AmarylÒ® Aventis Pharma) am Morgen bewährt. Damit werde die Gefahr der Unterzuckerung besonders gegen Mitternacht vermieden und der Blutzuckerwert während des Tages stabil gehalten. "Gerade bei älteren Patienten, die vielleicht nicht mehr in der Lage seien, sich selbst zu versorgen, sei diese Strategie gut anwendbar. Andererseits würde sie mobile Diabetiker nicht in ihren Aktivitäten behindern. Zudem sei die Therapie mit AmarylÒ® und LantusÒ relativ nebenwirkungsarm und auch für Patienten mit leichten Einschränkungen der Nierenleistung geeignet".

In einer bisher noch nicht publizierten Untersuchung aus dem Diabeteszentrum München-Bogenhausen konnte nachgewiesen werden, dass die bessere Diabeteseinstellung bei älteren Patienten zu einem deutlichen Gewinn an geistiger Leistungsfähigkeit führt. Insbesondere das Reaktionsvermögen und die zentrale Informationsverarbeitung verbessern sich mit der Blutzuckereinstellung.

Mehnert wie Liebl plädierten für eine stärkere Schulung von Ärzten und Patienten. Viele gerade der älteren Patienten müssten über die Wirkung der Medikamente, die Gefahr der Unter- oder Überzuckerung, wie auch über die richtige Injektion der Insuline, die heute auch bei Typ-2-Diabetiker eine wichtigere Rolle spiele, besser aufgeklärt werden.

Grünwald im Dezember 2001